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Widerstand gegen rassistische Stammtischparolen

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Sebastian Hammer.von Sebastian Hammer

Der Paritätische Remscheid beschäftigt sich auf seiner Jahreshauptversammlung mit den richtigen und angemessenen Reaktionen auf rechte Hetze und deren Folgen. Häufig berichten Teilnehmer*innen der Seminare gegen Stammtischparolen über eine „Schockstarre“, wenn sie mit Sprüchen und Parolen konfrontiert werden. Plötzlich sind sie da, aus dem Alltag heraus – dort, wo man es nicht erwartet. Wie die „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (zuletzt Heinrich-Böll-Stiftung/Rosa-Luxemburg-Stiftung) immer wieder zeigen, sind diese Parolen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Mehr als 40 Prozent der Befragten der repräsentativen Studie (Uni Leipzig – Die enthemmte Mitte, Juni 2016) befürworten die Aussage, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden sollte, 50 Prozent „fühlen sich wie Fremde im eigenen Land durch muslimische Zuwanderung“. Auch Parolen gegen homosexuelle Menschen sind weit verbreitet („Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“ – 40,1 Prozent Zustimmung).

Gerade im Netz, in Social-Media-Kanälen – Facebook, Twitter, oder den Kommentarspalten von Zeitungen –, versteckt hinter einer vermeintlichen Anonymität, traut man sich zu sagen, was man schon immer mal sagen wollte. Aber wie reagiert man richtig? Ist Intervention notwendig?

Bei den Trainings wird immer wieder betont, wie wichtig eine Diskussion ist. Auch wenn Informationen und Argumente nicht immer helfen, das Gegenüber zu überzeugen, die Wichtigkeit und Wirkung einer beherzten Intervention und eines Widerspruchs darf nicht unterschätzt werden. Häufig geht es um Unentschiedene und Zuhörer und den Einfluss der Parolen auf diese Gruppe. Eine Aussage, die unwidersprochen im Raum stehen bleibt, bleibt leider doch viel zu oft als Wahrheit im Kopf der Menschen und reproduziert gesellschaftlich vorhandene Vorurteile.

Auch die richtige Technik spielt neben der inhaltlichen Argumentation eine Rolle. Parolen werden meist aggressiv in den Raum gestellt und dulden keinen Widerspruch. Sollte dieser doch eintreten, so wird die Parole gewechselt. Klare Tipps kommen da von Dr. Klaus-Peter Hufer, der mehrere Bücher zu dem Thema verfasst hat und einen Lehrauftrag an der Universität Duisburg-Essen inne hat: Das „DIE“ auflösen – „DIE nehmen uns die Arbeitsplätze (Frauen, unser Land, unser Geld, kann meist beliebig eingesetzt werden) weg“ – hier gilt es genau nachzufragen, wer „DIE“ sind und ob man jemanden aus der betreffenden Gruppe kennt, selbst Erfahrungen gemacht hat oder woher die Aussage stammt. Auch das Parolenspringen sollte man nicht mitmachen, denn der Themenwechsel nutzt nur den Parolennutzenden. Eine klare Argumentation folgt selten. Hier sind die rationalen Argumente auf der Seite der beherzten Intervenierenden.    

Im Bereich des Netzes ist die Antwort leider nicht mehr so leicht und eindeutig, verschiedene Möglichkeiten (Diskutieren, Moderieren, Löschen oder Ironisieren) sind je nach Situation genau abzuwägen und bergen Vor- und Nachteile. Eine gute Auskunft über die sogenannte „Hate-Speech“ gibt die Broschüre der Amadeiu-Antonio-Stiftung zu dem Thema.

Aktiv werden gegen „Hate-Speech“ im Netz oder Hassparolen im Alltag kann nur ein Teil einer offenen und toleranten Antwort sein. Die Probleme liegen tiefer. Das war auch ein Ergebnis der Mitgliederversammlung des Paritätischen. Es müssen die sozialen Probleme angegangen werden, um Ungleichwertigkeitsvorstellungen den Kern zu entziehen. Ausgaben in Bildung und Soziales – dafür machen die Wohlfahrtsverbände auch ihre Lobbyarbeit. Ein wichtiger Schritt zur gesellschaftlichen Veränderung bedeutet: Im Großen Veränderung gestalten und im Kleinen mutig intervenieren!

(Sebastian Hammer, Referent in der Mitgliederversammlung des Paritätischen, ist Dozent der Akademie für interkulturelle Handlungskompetenzen (Kooperation Paritätische Akademie NRW & Bildungswerk der IFAK e.V.) in den Bereichen Geflüchtetenhilfe, Antirassimusarbeit und Interkulturelle Kompetenzen und stellvertretender Geschäftsführer des IFAK e.V. - Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe - Migrationsarbeit)


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